Ist man denn nur schön mit Schönheitsfilter?


oder 


Warum natürliche Porträts so viel mehr über Dich erzählen


Findet Ihr das Bild der alten Frau mit faltigem Gesicht auch schön? Das Foto ist leider nicht von mir. Es stammt aus meiner Postkartensammlung. Mir gefällt das Porträt sehr, weil es mich berührt. Ich spüre die Lebenserfahrung, aber auch die Zufriedenheit dieser Frau. Sie ist mir gleich sympathisch, ohne dass ich sie kenne oder etwas über sie weiss. Das faltige Gesicht entspricht aber sicher nicht dem gängigen Schönheitsideal unserer Gesellschaft.


Ich hatte vor kurzem eine Kundin, die ich für ihr Unternehmen fotografiert hatte. Die Bilder auf meiner Website hatten sie zwar sehr angesprochen und sie hatte mich deshalb gebucht. Mit sich selbst und ihrem Äusseren war sie aber anscheinend nicht im Reinen. Bereits während dem Fotografieren meinte sie, ich würde ja sicher beim Nachbearbeiten ihrer Bilder eine Gesichtsretusche anwenden, damit man ihre Fältchen nicht sehen könne. Die Kundin war dann auch mit ihren Porträts nicht zufrieden, weil sie sich selber auf Bildern offensichtlich nicht gefällt und sie sich mit ihrem Alter nicht abfinden kann.


Mich hat es etwas traurig gemacht. Einerseits, weil ich meine Kund:innen zufrieden stellen möchte. Ich lege aber auch grossen Wert auf natürliche Bilder. Bilder, die möglichst realitätsnah sind. Gerade für Porträts auf einer Geschäftswebsite finde ich authentische Bilder extrem wertvoll. Weil sie keine falschen Tatsachen vorgaukeln. Weil sie Menschen so zeigen, wie sie sind. Weil Menschen zu sich und ihren Werten stehen. Natürlich bearbeite ich meine Bilder leicht in meinem eigenen Stil nach. Mir ist auch sehr wichtig, dass Porträts ästhetisch sind. Sie sind aber immer noch echt.


Jeder Mensch ist grundsätzlich fotogen. Dann nämlich, wenn er sich vor der Kamera gehen lassen kann und vor allem mit sich und seinem äusseren Erscheinungsbild im Reinen ist. Klar ist eine Beautyretusche mit Photoshop möglich, braucht es aber meiner Meinung nach nicht. Es hat fast schon etwas mit Manipulation zu tun, mit Täuschung. Die man nicht nur den Betrachtern der Fotos zumutet, sondern vor allem auch sich selber. Wunderbar, wenn ich auf den Fotos keine Falten mehr habe und meine Haut rosig und glatt wie ein Babypopo aussieht. Der Spiegel, in dem ich mich betrachte, erzählt aber eine ganz andere Geschichte.


Jede(r) möchte auf Fotos schön aussehen. Das ist total legitim. Aber was bedeutet denn Schönheit in der Fotografie? Schönheit im Allgemeinen? Schönheitsideale sind selbstverständlich individuelles Empfinden. Ja, ich bin nicht mehr zwanzig. Zumindest sehe ich nicht mehr so aus, obschon ich mich oft noch jung fühle. Und ja, ich finde Altern nicht ideal. Meine Fältchen oder mittlerweile Falten erzählen aber eine Geschichte. Meine Geschichte. Altern ist ein Privileg, auch wenn uns unsere Gesellschaft etwas Anderes weismachen möchte. Es ist oft nicht einfach, zu sich und seinem Körper zu stehen. Mir gelingt das nicht immer. Und wir Frauen tun uns da wohl besonders schwer. Es ist aber auch eine Erleichterung, Idealen nicht nacheifern zu müssen und seinen Körper annehmen zu können. Weg vom Perfektionismus und falschen Vorstellungen. Hin zu einem Ja zu sich selber.